Dass das Feenreich bedroht ist, konnte Emma nicht ahnen. Und dass ausgerechnet sie die Feen von dem mächtigen Fluch befreien soll, der das Land bedroht, konnte sie auch nicht wissen, als eines Morgens ein Kater um ihre Beine schlich und sie in den Wald lotste.
Mit viel Fantasie und Mut besteht Emma ein Abenteuer nach dem anderen. Doch wird sie wirklich das Reich der Feen vor dem Bösen retten können?
Artikelnummer: 020122
ISBN: 978-3-946923-02-2
nur 13.90 Euro
60 Seiten
16 Illustrationen
Format: Hardcover
Maße: 100 x 200 mm
Sprache: Deutsch
Erschienen: November 2008
Autor: Julie Sander
Emma saß im hohen Gras und pflückte Gänseblümchen. Eines nach dem anderen flocht sie in den Kranz ein, der schon fast fertig in ihrem Schoß lag. Er war nicht sehr groß, aber für ihre Puppe gerade groß genug. Eine Blüte fiel ihr aus der Hand und landete einem Marienkäfer auf dem Kopf. Emma musste herzhaft lachen! „Ein Marienkäfer mit Hut! Wie drollig!“, sagte sie lachend und prustete dann los. „Armes Ding, du siehst ja gar nichts mehr“, sagte sie und las die Blüte wieder auf.
Da spürte sie etwas Weiches an ihrem Rücken. Sie hatte die Katze nicht kommen sehen, die jetzt um sie herum strich. Emma legte den Kranz zur Seite und streichelte die Katze.
„Hallo, wo kommst du denn her?“, fragte sie.
Die Katze schnurrte und sprang Emma in den Schoß. Sie schmiegte sich dicht an Emma, so, als würden sie sich schon eine Ewigkeit kennen. Emma liebte Katzen. Und eine weiße Katze mit rosa Näschen hatte sie sich schon immer gewünscht. Ihr Herz machte einen Freudensprung, als die Katze aufsah und sie vertraut anblinzelte. Glücklich lauschte Emma ihrem wohligen Schnurren.
Vorsichtig, damit die Katze sich nicht erschrak, nahm sie ihren Blumenkranz und legte ihn der Katze um den Hals.
„Für Clementine flechte ich einen neuen Kranz. Der hier ist für dich“, sagte sie und lächelte.
Doch die Katze sprang auf und lief weg.
„Oh, magst du keine Blumen?“, rief Emma und eilte ihr hinterher.
„Ich habe auch noch ein Kaugummi. Möchtest Du lieber das?“, fragte Emma und kramte in ihrer Tasche vom Kleid. Doch die Katze lief weiter. „Also auch kein Kaugummi“, murmelte Emma und ließ das klebrige Ding zurück in ihre Tasche plumpsen. Immer wieder blieb die Katze stehen und sah zurück zu Emma. Doch dann lief sie weiter.
„Soll ich mit dir kommen? Willst du mir etwas zeigen?“
Emma war sicher, dass die Katze eine Maus gefangen hatte, die sie nun bewundern sollte. So hatte es der Kater ihrer Oma auch immer gemacht. Er lief weg, wartete, dass Emma ihm hinterher ging, und dann zeigte er ihr seine Beute.
Aber diese Katze war anders. Sie führte Emma immer näher zum Waldrand.
„Oh nein“, sagte Emma, als sie vor den Rosenhecken standen, die den Waldrand säumten, als müssten sie den Wald vor etwas beschützen.
„In den Wald folge ich dir nicht. Das ist zu gefährlich, weißt du. Da darf ich nicht spielen. Mama hat gesagt, da wohnen Hexen und Trolle, die kleine Kinder zwicken.“
Die Katze sah sich noch einmal um, dann verschwand sie im Gebüsch. Nur ihr Köpfchen schaute noch einmal zwischen den Rosenblüten hindurch. „Komm jetzt“, schien die Katze ihr zuzumaunzen. Emma schüttelte den Kopf.
„Nein, nein, ich gehe nicht in den Wald.“
Sie wartete, aber die Katze kam nicht wieder. Also ging sie zurück zur Wiese. Emma hatte gerade angefangen einen neuen Kranz zu flechten, als die Katze ihr erneut um die Beine strich.
„Da bist du ja wieder. Im Wald ist es nicht so schön, hab ich recht?“
Die Katze sah sie mit ihren hellgrünen Augen durchdringend an.
„Was möchtest du?“, fragte Emma. „Spielen?“
Emma pflückte einen Grashalm und stupste der Katze damit auf die Nasenspitze.
Wieder eilte die Katze davon. Jetzt sah Emma, dass sie humpelte.
„Oh weh, du bist verletzt.“
Emma sprang auf und lief ihr erneut hinterher. Und wieder lief die Katze in Richtung Wald. Als sie am Waldrand angekommen waren, humpelte die Katze so stark, dass Emma Angst hatte, sie könne gleich gar nicht mehr richtig gehen.
„Was ist mit deiner Pfote? Warte doch“, rief sie.
Und wieder verschwand die Katze hinter den Rosenhecken.
Ich darf nicht in den Wald, dachte Emma, aber was ist, wenn die Katze meine Hilfe braucht? Emma überlegte hin und her. Ach, ich gehe nur ein kleines Stück in den Wald, nur ganz kurz. Mama wird schon nichts merken, hoffte Emma und bog vorsichtig die Zweige der Rosen auseinander. Schnell huschte sie durch die Hecke und hoffte, dass kein Troll sie kneifen würde.
Als sie auf der anderen Seite der Hecke stand, war kein Troll zu sehen. Und gekniffen hatte sie auch keiner. Weder ein Troll noch eine Hexe. So arg ist der Wald ja gar nicht, und so dunkel, wie Mama sagte, auch nicht. Emma war erleichtert. Trotzdem schaute sie sich aufmerksam nach allen Seiten um, bevor sie zögernd weiterging. Die Bäume waren sehr hoch und ihre Kronen so dicht, dass nur hier und da ein paar Sonnenstrahlen hindurchschienen. Der Waldboden war übersät mit Farnen und weichem Moos, das sich unter ihren Fußsohlen wie ein Wollteppich anfühlte. Die Luft roch frisch und würzig. Aber es war kühler als auf der Wiese. Emma fror in ihrem leichten Sommerkleid und strich sich fröstelnd über die nackten Arme.
Und nun? Wo war das Kätzchen? Emma schaute zwischen den knorrigen Baumstämmen hindurch, lugte unter die Farne und suchte im Gebüsch.
„Miez, Miez, Miez“, rief sie immer wieder und schnalzte mit der Zunge.
„Ah, da bist du ja.“
Erleichtert eilte sie auf den Farn zu, hinter dem sie eben noch eine weiße Schwanzspitze hervorblitzen gesehen hatte. Doch von der Katze fehlte jede Spur. Mittlerweile war Emma tief in den Wald hineingeraten. Vogelgezwitscher erfüllte hier die Luft. Bienen summten, und irgendwo in der Ferne hörte Emma Frösche quaken. Plötzlich hörte sie auch eine Stimme, die immer wieder rief: „Wo bist du denn, komm zu mir.“ Emma stutzte. Wer war das? Wer hatte da gerufen?
„Emma, komm zu mir!“
Emma lief ein Schauer über den Rücken, als sie ihren Namen hörte. Fröstelnd zog sie die Schultern hoch. Oder hatte sie sich verhört?
„Emma, nun mach schon, wir haben nicht ewig Zeit!“
Nein, sie hatte richtig gehört. Jemand rief nach ihr, und es war nicht ihre Mutter. Wer konnte das es sein?
Vorsichtig setzte sie einen Schritt vor den anderen. So leise wie möglich schlich sie in die Richtung, aus der die Stimme kam. Ein Ast knackste unter ihren Füßen. Emma erschrak und blieb einen Moment still stehen. Dann ging sie weiter. Sie kam an einer Lichtung vorbei, über die drei aufgeschreckte Hasen hoppelten und auf der ein Eichhörnchenpärchen um eine Nuss stritt. Und immer wieder hörte Emma die Stimme.
„Du brauchst nicht zu schleichen. Ich höre jeden deiner Schritte, laut wie Donnerhall!“
Emma blieb abrupt stehen. Woher kam die Stimme nur?
„Trau dich! Ich bin es nur, die Katze.“
Die Katze konnte sprechen? Emma mochte es kaum glauben.
„Wo bist du?“, rief sie dennoch zurück.
„Hier, hier hinten, auf dem Felsvorsprung, unter der Eibe.“
Am Rande der Lichtung lagen unzählige Felsen, dicht mit Moos bewachsen und umgeben von Farnen und blühenden Buschen.
Emma kraxelte den Felsen hoch. Die starken Wurzeln der uralten Eibe, die um den Felsen geschlungen waren, dienten ihr als Leiter. Und tatsächlich: in der Wurzelhöhle saß die Katze und putzte sich.
„Da bist du ja“, sagte sie und sah Emma an.
„Du kannst sprechen?“
„Hörst du doch“, antwortete die Katze und kam unter den Wurzeln hervor.
„Aber Katzen können sich nicht mit Menschen unterhalten.“
„Können sie doch … na ja, zumindest, wenn sie ein bisschen Feenstaub auf die Nasenspitze gerieselt bekommen haben.“
„Feenstaub?“ Emma verstand gar nichts mehr. Sprechende Katzen, Feen, was denn noch? „Ist das hier ein Zauberwald?“
„Nein, nur ein zauberhafter Wald mit merkwürdigen Bewohnern.“
„Und was ist mit deiner Pfote?“, fragte Emma mit Sorge erfüllt. „Kann man die nicht mit Feenstaub heilen?“
„Ach, die Pfote.“ Die Katze schüttelte ihr Hinterbein und grinste. Ja, sie grinste!
„Mit der Pfote ist alles in Ordnung.“
„Aber du hast vorhin gehumpelt.“
„Ja, hab ich. Weiß ich.“
„Warum?“
„Ein kleiner Trick, mehr nicht. Damit du mir folgst. Wir brauchen deine Hilfe. Aber wir wissen auch, dass Kinder nicht in den Wald dürfen. Also habe ich dich mit dem ältesten Trick gelockt, den ich kenne.“
„Wir? Was heißt wir? Leben im Wald noch mehr Katzen?“
Neugierig schaute Emma hinter den Felsen, wo sich eine riesige Felslandschaft erhob. Aber sie sah keine weiteren Katzen.
„Nein, ich bin die einzige Katze. Aber hier leben die Feen, und die brauchen deine Hilfe.“
„Feen?“
Emma kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Unendlich viele Feen und Tiere hatten sich um Emma und der Königin versammelt. Sie alle wollten dabei sein, wenn Emma ein Teil ihrer Welt werden würde.
Wie es sich wohl anfühlt, klein zu sein?, überlegte Emma. Und das Fliegen erst! Ich werde bis in den Himmel fliegen, nein, bis zum Mond. Emma war so schrecklich aufgeregt, dass ihr tausend Gedanken durch den Kopf schwirrten.
„Es wird ganz wunderbar werden“, sagte Ambrosia, als hätte sie Emmas Gedanken gelesen.
„Ich bin dann sogar kleiner als du“, sagte Emma und strich der Katze zärtlich über den Kopf. „Wirst du mich begleiten?“
„Vielleicht, ein kleines Stück. Ich habe ja sonst grad nichts zu tun. Meine Aufgabe ist erfüllt. Ich brachte dich hierher, und alles Weitere wird die Königin entscheiden.“
„Darf ich um Ruhe bitten.“ Die Königin hatte ihre Stimme erhoben. Sie flog über die Köpfe aller hinweg und bat um Aufmerksamkeit.
„Ihr wisst, was ihr zu tun habt!“, rief sie ihrem Volk zu.
Emma flüsterte sie zu: „Schnell, entscheide dich! Welche Farben?“
Emma schluckte. Sie hatte vergessen darüber nachzudenken. Also sagte sie die ersten Farben, die ihr einfielen: „rosa und hellblau!“
„Oh Gott“, stöhnte Ambrosia, „wie einfallslos!“
Zu spät. Die Königin öffnete das Fläschchen, sah ihre Untertanen an und begann zu summen.
Die anderen Feen stimmten in die Melodie mit ein. Dann ließ sie langsam den glitzernden Staub über Emmas Kopf rieseln und sang gemeinsam mit allen Anwesenden:
„Feenstaub rieselt fein auf deinen Kopf,
macht dich klein wie ein Wiesel,
doch nicht so bleich wie ein Kiesel
Flügel wie ein Schmetterling
und ein Kleidchen in rosa und blau
Fühlst Dich stark, doch bist zart
Denn du trinkst den himmlischen Morgentau“
Emma fühlte sich, als wäre sie in heißes Badewasser gestiegen. Ihre Haut schrumpelte in Sekundenschnelle, und ihre Kleider fielen ihr von den immer kleiner werdenden Schultern. In ihrem Bauch kribbelte und blubberte es. Dann drehte sie sich rasendschnell im Kreis, ihre Arme wirbelten um ihren Körper, und Emma wurde schwindelig. Sie plumpste auf ihren Po. Vor ihren Augen drehte sich noch immer alles. Wie durch einen Nebel aus bunten Farben schaute sie die Königin an, die jetzt ihre Hand hielt. „Und, wie fühlst du dich?“, fragte sie.
Emma öffnete den Mund und rülpste laut. „Ups“, sagte sie erschrocken und hielt die Hand vor den Mund. „Verzeihung.“
„Ach, nicht so schlimm. Das kann ja mal passieren. Irgendwo muss die Luft ja hin, die zuvor in deinen Lungen war. Kleine Lungen können nun mal nicht so viel Luft aufnehmen“, sagte die Königin verständnisvoll und nickte Emma aufmunternd zu.
„Geht es dir gut?“
Emma stand auf. Zunächst war sie noch sehr wackelig auf den Beinen. Ihre Knie fühlten sich an, als wären sie aus Gummi. Irgendetwas kitzelte sie am Rücken. Sie wollte sich kratzen, als sie merkte, dass sie Flügel hatte. „Wow“, hauchte sie staunend.
„Und wie bewege ich die Dinger? Kann ich jetzt fliegen?“, fragte sie. Sie wollte versuchen, die Flügel zum Schwingen zu bringen, aber alles was ihr gelang, war, dass die Flügel zitterten.
„Eine Fee braucht Monate, um das Fliegen zu erlernen. Das geht nicht von jetzt auf gleich“, sagte die Königin und schmunzelte. „Fliegen kannst du leider nicht. Aber ansonsten bist du von einer echten Fee kaum zu unterscheiden!“
„Wirklich?“, fragte Emma.
„Sieh selbst!“
Die Königin hielt ihr einen Spiegel hin. Emma betrachtete ihr rosa-blaues Kleidchen, drehte sich im Kreis und ließ den Rock schwingen. Dann bewunderte sie ihre Flügel ausgiebig, die so leicht waren, als wären sie aus Luft.
„So, genug der Eitelkeiten! Ruh dich aus, und morgen früh machst du dich auf den Weg!“
Emma folgte der Königin in eine Felsspalte. Alles um sie herum war jetzt riesengroß. Emma schaute nur auf den Boden, denn die ungewohnte Größe der Felsen, der Bäume und sogar von Ambrosia machten ihr etwas Angst.
Ich werde mich daran gewöhnen, hoffte sie.
In der Höhle der Königin angekommen, schien ihr die Welt wieder normal zu sein. Allerdings von der Größe her. Denn Blütenkelche als Becher, Schilfblätter als Hängematte, und Pilze als Tische waren für Emma alles andere als gewöhnlich.
Sie setzte sich auf eine Walnuss, lehnte sich mit den Ellenbogen auf einen Pilz und sagte: „Hübsch habt ihr es hier. Und es riecht so gut.“
„Das ist die Holundersuppe, sie wird dir schmecken!“
Die Königin reichte ihr einen Kelch mit heißer Suppe. „Hm, lecker“, sagte Emma und schlürfte die dickflüssige Suppe genüsslich. „Da ist schön viel Honig drin, oder?“
Satt und zufrieden, aber auch erschöpft, machte Emma es sich kurz darauf in einer der Hängematten bequem. Das war gar nicht so leicht, denn die Flügel waren ihr zunächst immer im Weg. Doch dann rollte sie sich auf die Seite und schlief bald ein.
Momentan noch keine Bewertungen verfügbar!